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Bernd Niemeier

„Diese Differenzierung ist mir bei Christen, die die Liebe zu Israel fanatisch betonen, nicht genehm, da wo alles gut geheißen wird“

Ich bin Baptistenpastor und zur Zeit tätig in Hamm, im Stadtteil Bockum-Hövel; jetzt schon wieder seid vier Jahren.

 

Du bist ein deutscher Baptistenpastor und warst in mehreren Gemeinden tätig. Welche Gemeinden hast du geleitet?

BN: Ich war in Berlin-Kreuzberg, dann habe ich eine kurze Zeit ein Missionswerk in Hamburg-St. Pauli geleitet, war dann in Andernach, in Schöningen – da haben wir uns auch kennengelernt – und seit 2009 in Hamm.

 

Damals, als wir uns getroffen haben, da war zu spüren, dass du ein besonderes Gespür für Israel hast. Das Thema ist dir nicht fremd …

Das Thema ist mir nicht fremd. Ich muss sagen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Liebe zu Israel durch unseren Professor für Altes Testament geweckt worden ist. Besonders auch die Liebe zur hebräischen Sprache. Diese Liebe zur hebräischen Sprache und damit auch eine Liebe zu Israel hat mich seitdem auch immer begleitet, obwohl ich in der ersten Phase oft Menschen begegnet bin, die in einer sehr fanatischen Weise für Israel waren, was mich eher abgeschreckt hat. Aber es war dann so, dass ich trotzdem immer wieder zur Liebe für Israel zurückgeführt. In meiner Gemeinde in Berlin-Kreuzberg, da gab es, als ich hinkam, einen aktiven Israel-Gebetskreis, der sich regelmäßig getroffen hat. Dann gab es in den anderen Gemeinden, in denen ich tätig gewesen bin, auch Kreise, die ein ganz besonderes Interesse für Israel hatten. Irgendwie ist es bei mir dann einfach auch zu etwas geworden, was mir wichtig geblieben ist.

 

Du sprachst von fanatischer Liebe. Was meinst du damit?

Das kann ich schwer beschreiben … etwas, was nach meinem Empfinden eine Überbetonung war.

 

Etwas, was mit dem Volk Gottes wenig zu tun hat?

Ja! Er war so einseitig. Wir müssen Israel lieben, aber  nur Israel…? Die anderen Dinge in der Welt, die Weltmission, die verfolgte Kirche, das schien überhaupt keinen Platz mehr in ihrem Denken zu haben. Diese Einseitigkeit habe ich so für mich nicht sehen können. Von da her war ich distanziert. Aber mit der Zeit habe ich ein sehr differenziertes Bild gewonnen und auch eine Liebe zu Israel geschenkt bekommen, die mich heute trägt.

 

Wie kannst du diese Liebe zu Israel in der Gemeinde zum Ausdruck bringen?

Zum einen durch Kontakte, die da sind, die über die Jahre hinweg entstanden sind; dann sicherlich auch in den Bibelstunden, in der Bibelauslegung, in den Predigten; da ist immer wieder der Bezug auf die besondere Berufung des jüdischen Volkess. Ich selbst singe auch gerne und habe in der letzten Zeit noch einmal einen besonderen Schub bekommen in Richtung Liebe zu Israel, in der Weise, dass ich seit einigen Jahren auch Anbetungslieder auf hebräisch schreibe, bzw. Psalmen-Texte auf hebräisch vertone, und das zum Teil eben auch mit einbringe. Wir versuchen auch in jedem Fall wenigstens einmal im Jahr einen besonderen Israelsonntag zu machen, also die Gemeinde ganz bewusst da heranzuführen; und so ist es schon ein Thema, das immer wieder in der Gemeinde vorkommt.

 

Hast du Antisemiten getroffen? Christen, die irgendwie eine Distanz schaffen oder Antisemitismus ausüben?

… die Antisemitismus ausüben? Das würde ich so nicht sagen; aber ich bin doch auch etlichen Pastorenkollegen begegnet, die in dieser Hinsicht doch … ich sage es vorsichtig …  sehr reserviert waren.

 

Warum gibt es so etwas? Kennst du die Ursachen dafür?

Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass es sicherlich gerade in unserem Land noch verborgene Verbindungen zum III. Reich gibt, zu der Nazi-Ideologie und alldem, was da gewesen ist.  Einige der Kollegen, von denen ich eben sprach, die sind aus der DDR gekommen.  Ob es mit an der Prägung liegt oder woran es liegt, das weiß ich nicht.

 

Unterstützt deine Gemeinde irgendwelche Projekte in Israel?

Ja. Seit letztem Jahr ist über persönliche Kontakte von Geschwistern unserer Gemeinde eine Beziehung zum Bethel-Missionwerk entstanden – „Food fort he poor“. Uns ist es in der Gemeinde sehr wichtig: wir unterstützen Missionare oder Missionswerke, wenn wir die Menschen persönlich kennen. Das ist eigentlich immer der Bezugspunkt, wo die Geschwister sehr bereitwillig die Arbeit unterstützen, und eben auch jetzt konkret mit dieser Form des Missionswerks und der guten Kontakte, die so entstanden sind, und damit auch zu Dir und dem Missionswerk Beit Sar Shalom.

 

Was denkst du über die Zukunft Israels, besonders jetzt?

Ich beobachte die ganze Situation im Nahen Osten schon seit einiger Zeit sehr kritisch, und ich sage das auch meiner Gemeinde, dass, was dort geschieht – auch an und unter den arabischen Völkern –  auch ein Teil des Gerichtshandeln Gottes ist. Aber mir ist auch eine ganz große Liebe für die arabischen Völker ins Herz gelegt worden. Ich erhalte immer wieder Nachrichten aus Israel, wo Gemeinsamkeiten gesucht werden, wo Leiter messianischer Gemeinden und Leiter palästinensischer, arabischer Gemeinden zusammenkommen, und das bewegt mich zutiefst, weil ich glaube, dass das wirklich ein gewaltiges Zeugnis auch für Israel ist. Insofern denke ich – das wissen wir ja aus der Schrift – dass es eine Zeit gibt, wo sich alles zuspitzen wird, und wo alle gegen Israel aufstehen; das ist das eine. Das andere ist: wir haben Menschen, die zu retten wert sind und denen das Evangelium zu verkünden ist, sowohl Juden als auch Arabern, Moslems, und das liegt mir sehr am Herzen. Wer Israel segnet, der wird gesegnet; darum ist es mir ein großes Anliegen, dass die Liebe zu Israel – eben auch zu den Christen, zu den verfolgten Christen z.B. in Ägypten, in Syrien – dass auch durch diese politische Konfliktsituation nicht die Liebe zu dem Israel Gottes verloren geht. Allerdings ist es mir auch wichtig zu betonen, dass man Israel lieben kann, auch wenn man nicht mit allen politischen Entscheidungen, die dort getroffen werden, einverstanden ist.

Ich komme jetzt noch einmal zurück auf das, was ich am Anfang gesagt habe. Diese Differenzierung ist mir bei Christen, die die Liebe zu Israel fanatisch betonen, nicht genehm, da wo alles gut geheißen wird. Israel ist der Erlösung bedürftig, Israel ist noch nicht das errettete Volk. Aber die Vision von Hesekiel 37 wird sich erfüllen, dass das Volk aufsteht. Ich denke, wir sehen einen Teil davon: das Volk wird gesammelt. Es ist vielleicht noch kein Fleisch da, und der Geist ist auf jeden Fall noch nicht da, aber das wird kommen. Das ist die Verheißung der Auferstehung.

 

Was hältst du von der messianischen Bewegung? Wie kannst du sie theologisch einstufen?

BM: Die messianische Bewegung knüpft genau da an, wo die Apostelgeschichte aufhört. Es ist praktisch ein Teil des wiederherstellenden Handels Gottes in Seiner Heilsgeschichte. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass die christliche Kirche ihre Vollmacht für Zeichen und Wunder verloren hat, als sie Staatskirche wurde. Da hat sie geistliche Vollmacht gegen weltliche Vollmacht eingetauscht, und wir erleben seit der Reformation, wo sicherlich Martin Luther seinen positiven Anteil hatte (auch wenn er am Ende seines Lebens in Bezug auf Juden und Israel eine völlig unbiblische Einsicht und Erkenntnis verbreitet hat) …  seit der Reformation erleben wir also Wiederherstellung des Volkes Gottes, also ganz allgemein gesprochen die Wiederherstellung der biblischen Gemeinde (z.B. in der baptistischen Bewegung), die Wiederherstellung der Heiligung (das, was die Methodisten wieder entdeckt haben), die Wiederentdeckung der geistlichen Gaben am Anfang des 20. Jahrhunderts in der Pfingstbewegung und der charismatischen Bewegung. So stellt Gott das wieder her, und in der gleichen Weise stellt er die Berufung des jüdischen Volkes durch die messianische Bewegung wieder her.

Es ist mir aufs Herz gelegt worden, die Liebe zu Israel auch weiterzugeben, und ich habe bei Missionseinsätzen, bei evangelistischen Einsätzen, die ich in diesem Jahr in den letzten beiden Gemeinden hatte, ganz bewusst zum Ende der Veranstaltung ein hebräisches Lied vorgetragen, natürlich mit entsprechenden Erklärungen und auch mit dem, was meine Liebe zu Israel ausmacht. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass dadurch auch ein nicht unerheblicher Segen auf die Gemeinde gekommen ist. Zum anderen habe ich mich beschäftigt mit der Geschichte der Juden in der Stadt Hamm, in der ich jetzt lebe, und habe mit Erschrecken festgestellt, dass es keine jüdische Versammlung an diesem Ort gibt, es gibt keine Synagoge; es gibt ein Denkmal, wo eine Synagoge gewesen ist, die im III. Reich niedergebrannt wurde, aber es gibt keine jüdische Versammlung. So möchte ich gerne einen Lobpreisgottesdienst oder einen Gebetsgottesdienst gründen, wo wir auch hebräische Lieder singen und wo wir auch Gott in der Sprache loben, die Ihm besonders am Herzen liegt. Das ist meine Vision: Ich habe keine Ahnung, wie das entstehen kann; denke allerdings, dass es dem Herrn am Herzen liegt … aber zur Zeit bin ich diesbezüglich noch alleine …

 

… aber der Herr tut Wunder!

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