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Zvi Kalisher

Ich bin schon seit 57 Jahren in Israel. Und das ist immer so, als wäre es gestern. Ich wollte einen kleinen Witz erzählen. Ein Rabbiner geht zum Gebet in die Synagoge. Dort liest er die Psalmen. Dann kommt er zu Psalm 90, wo geschrieben steht, dass Tausend Jahre für Gott wie ein Tag sind. Er sagt: Oh Gott! Wenn Tausend Jahre für dich nur ein Tag sind, bin ich mir sicher, dass Tausend Dollar für Dich nur ein Cent sind. Darf ich bitte nur einen Cent bekommen? Die Antwort ist: Ja, du darfst, aber Du musst noch etliche Minuten warten. Das sind nur Minuten.

 

Als ich nach Israel kam, musste ich allein die Via Dolorosa durchgehen. Ich war 10 Jahre, als die Deutschen nach Polen kamen. Nicht als Touristen. Das erste Opfer waren die Juden. Sie sind zu jedem Haus gekommen, und alles, was sie gesehen haben, haben sie weggenommen. Und die Eigentümer mussten das alles auf Lastwagen laden. Ich hatte auch Geschwister. Wenn ich nach Hause kam und sagte: „Ich habe Hunger“, konnte meine Mutter mir nichts geben. Aber sie sagte: „Ich werde dich in ein polnisches Kinderheim bringen.“ Ich war hellblond und sah nicht wie ein Jude aus. Auf dem Weg zum Kinderheim sagte sie: „Ab jetzt musst du ein Mann werden. Du musst stark sein.“ Das alles klang fremd für mich. „Du sollst nie sagen, dass du Jude bist.“ Was konnte ich mit 10 Jahren verstehen? Nicht viel.

 

Ich wurde in diesem Heim aufgenommen. Die Mutter sagte, sie hat mich auf der Straße gefunden, denn sie wollte nicht sagen, dass ich ihr Sohn bin. Sie war etwas dunkler. Sie sagte: „Ich werde dich jede Woche besuchen, wie alle hier.“ Zu diesem Termin kam ich und die anderen Kinder zum Tor, doch ich habe keinen von meinen Verwandten gesehen. Da habe ich mich an die Worte meiner Mutter erinnert: „Du musst stark sein!“ Und ich war stark.

 

Im Kinderheim war es gut. Eines Tages kamen die Gestapo und die SS. Sie wollten wissen, ob da jüdische Kinder versteckt sind. Sie haben alle Kinder angeschaut und haben mich gesehen. Ein Offizier von der Gestapo sagte zu mir: „Komm mal her“. Ich war mir schon sicher, dass sie mich erwischt hatten. Ich bin rauf auf die Bühne, der Gestapooffizier schaute mich an und sagte: „Das ist eine richtige, blonde, arische Rasse“ und gab mir ein Stück Schokolade. Ich habe es genommen und war damit zufrieden.

 

Im Kinderheim war es gut, doch wollte ich meine Eltern sehen, so wie die anderen Kinder ihre Eltern jede Woche gesehen haben. Etliche Monate danach kamen Leute von der SA. Sie sagten: „Ihr seid jetzt deutsche Soldaten. Zuerst müsst ihr aber in die Hitlerjugend.“ Ich konnte nicht nein sagen. So haben sie uns in die Hitlerjugend genommen. Nach einigen Tagen gaben sie uns die Uniform mit dem großen Hakenkreuz. Wir sind marschiert und haben singen gelernt. Das erste Lied, das wir lernten, war gegen Juden: „Da war ein Mann mit krummen Beinen, die Nase krumm, die Haare grau. Da kann doch jeder Deutsche wissen, er ist ein Jude, er muss raus. Schmeiße raus die ganzen Judenbande, schmeiße raus für das deutsche Vaterland.“ Und Sie können sich vorstellen, mit welchen Gefühlen ich das gesungen habe. Während die Kinder das sangen, lachten sie. Ich musste auch lachen und zeigen, dass ich zufrieden war. Sonst würden alle merken, wer ich bin.

 

Das dauerte 2 Monate lang, dann wurden wir nach Berlin gebracht. In einer großen Halle wurde eine Selektion durchgeführt, wer für die Hitlerjugend bleiben und wer zurückgeschickt wird. Geblieben sind die Kinder von 14 bis 15 Jahren. Ich war erst 11. Ein SA-Offizier schaute mich an und rief mich zu sich: „Was ist los? Warum bist du hier?“ Ich antwortete: „Ich möchte ein deutscher Soldat sein.“ „Oh! Du musst noch viel Milch trinken, bevor du ein deutscher Soldat bist. Mach, dass du wegkommst!“ Ich sagte: „Wieso? Ich habe keinen Pfennig, um von Berlin nach Warschau zu kommen.“ “Du bist ein braver Kerl“. Er gab mir 20 Mark und Lebensmittel. Ich ging fort zum Zug und kam nach Warschau.

 

Das erste, was ich sehen wollte, waren meine Eltern. Aber was ich sah, waren die Wände meines Hauses, auf denen mit großen Buchstaben überall geschrieben stand: „Den Juden und den Hunden Eintritt streng verboten“. Ich klopfte an der Tür, ich wollte hinein. Mir öffnete ein Pole, den ich nie gesehen habe: „Was willst du hier?“ Ich antwortete: „Wir haben hier gewohnt.“ „Ah, du bist ein Jude, komm rein.“ Ich lief fort. Ich habe auch nicht gelesen, was auf die Wand geschrieben war: Polen, die Juden zur Polizei brachten, bekamen eine Flasche Wodka. Und es waren viele, die nach eine Flasche Wodka gesucht haben. Ich kam zu unserem polnischen Nachbarn, mit dem wir sehr befreundet waren. Ich wollte wissen, wo meine Eltern sind. „In Warschauer Getto“, war die Antwort. Ich wusste nicht, was das bedeutet. Der Nachbar erzählte mir: es wurden etliche Straßen geschlossen, Mauern gebaut und keiner konnte hinein und heraus.

 

Und ich kam zum Getto. Ich sah überall Polizei. Ich konnte nicht hinein. Am späten Abend sah ich jüdische Kinder, die von der polnischen Seite in die Kanalisation kamen, und so ins Getto geraten konnten. Ich wollte mit ihnen gehen. Sie sahen mich an: „Du kommst nicht zur Hochzeit. Wenn du kommst, bringst du Lebensmittel; wenn nicht, stirbst du vor Hunger. Aber wir kommen nach einigen Stunden raus, das wirst du schon sehen.“ Ich habe auf sie gewartet. Als sie draußen waren, gingen wir Lebensmittel holen. Nicht in einem Supermarkt! Wir gingen zu Bauern und stahlen Kartoffeln, Gemüse und Obst, Hühner und was es da überhaupt so gab. Mit all dem kamen wir durch die Kanalisation ins Getto. Ich konnte meinen Augen nicht glauben, was sie im Getto sahen. Die Leute schoben und zogen Wagen und holten Knochen und Häute, also Skelette; dann brachten sie diese an ein tiefes Grab. So wie wir den Müll von den Straßen wegbringen, so wurden da die Leichen weggebracht. Tausende.

 

Eines Tages erfuhr die Gestapo, dass Lebensmittel gestohlen wurden. Sie haben dann die Kanalisation geschlossen, damit keiner rein und keiner raus konnte. Ich blieb im Getto. Langsam begriff ich, dass ich irgendwann in den Mistkasten geworfen werden könnte. Aber ich hatte keine Angst, denn ich eifersüchtig auf die Toten war. Hunger, Kälte, Läuse.. es waren so viele, dass sie keinen Platz auf der Haut finden konnten. Ich sah einen Bekannten aus dem Getto und fragte ihn, ob er meine Eltern oder Verwandte gesehen hatte. Er schaute mich an: „Hier gibt es keine Mutter, keinen Vater, keine Geschwister. Kannst du dir helfen, gut, wenn nicht, dann kannst Du morgen oder übermorgen in den Mistkasten geschmissen werden." 

ch sagte zu einem Kameraden: „Wir springen in der Nacht von der Mauer.“ Er sagte: „Sie werden dich erschießen.“ „Im Getto waren Einige, die den Gestapoleuten Geld gaben, um eine Kugel zu bekommen. Die Gestapo hat das mit Freude gemacht. Und du bekommst das ohne Geld. Komm!“ Er sagte: „Ich habe Angst.“ ch kam alleine zur Mauer. Keiner war da, von keiner Seite. Ich sagte zu mir: „Was sein muss, muss sein.“ Ich sprang runter. Unten standen 2 Gendarmen, sie waren überrascht.

Mein Kopf musste schnell arbeiten, schneller als ein Computer. Ich lief schnell weg. Die Gendarmen schossen auf mich, haben aber wegen der Ruinen nicht getroffen. Die Kugeln haben mich nicht getroffen. Ich wusste nicht, wo ich war. Am nächsten Morgen sah ich mich um: ich lag zwischen 40 toten Körpern. Ich sagte zu mir: ich muss mein „Hotel“ wechseln. Ich habe einen neuen Keller gefunden, da waren auch Leute versteckt. Sie sollten mein Gesicht nicht sehen. In der Nacht suchte ich nach Lebensmittel. Ich kannte die Gegend nicht: sie würden mich erkennen. Ich sollte vorsichtig sein.

 

Ich kam zum Bahnhof. Dort sah ich die Soldaten, die Gestapo-Leute, die 3-4 Stunden auf den Zug warteten. Die SS- und Gestapo-Leute hatten kleine Koffer, und was drinnen war, war von den Polen und den Juden gestohlen. Das waren Wertsachen. Sie haben doch keine Säcke mit Kartoffeln geschleppt. Ich habe sie zwei, drei Stunden abgewartet. So wie eine Katze auf der Terrasse. Bis sie einschliefen. Sie wollten ihre Frauen mit Wertsachen überraschen. Aber ich habe sie überrascht. Ich nahm ihnen ein Paar Koffer und kam nach Warschau. Da gab es einen Platz, wo man auch eine Katze im Sack verkaufen konnte, keiner fragte „was verkaufst du“, sondern „wie viel willst du dafür?“ Ich kam hierhin und versuchte meinen Koffer zu verkaufen. Ich nannte meinen Preis. „So ein hoher Preis? Bist du verrückt? Was hast du da? Mach auf!“ Ich sagte: „Ich habe den Schlüssel vergessen“, nahm das Messer und machte den Koffer auf. Drinnen lagen 60 goldene Uhren. Sie wurden gestohlen. Mein Preis, den ich nannte, war nur für eine Viertel der Uhren. Für das Geld kaufte ich mir Lebensmittel und ging in ein Hotel. Bis das Geld ausging. Dann ging ich wieder zum Bahnhof.

 

Auf dem Schwarzmarkt war ich immer willkommen , ich wurde dort zur wichtigen Person. Welchen Preis ich auch nannte, so viel bekam ich auch. Nachdem ich ein normales Aussehen erreicht hatte, verließ ich Warschau und kam in ein Dorf. Ich suchte eine Arbeit. Ich kam zu einem Bauern, klopfte an die Tür. „Was ist los?“ „Brauchen Sie vielleicht Hilfe?“ „Ich bin doch kein Babysitter.“ Ich kam zu einem anderen Bauer. Ich wusste nicht, dass er ein Volksdeutscher war. In Polen lebten viele Deutsche. „Was willst du hier? Vielleicht willst du eine Arbeit?“ Ich sagte: „Ja!“ „Kannst Du auf Kühe aufpassen?“ (sie hatten 40 Kühe) „Ja, das ist mein Schwerpunkt.“ „Gut! Sprichst du Deutsch?“ fragte er mich. Ich verstand Deutsch, wollte das aber nicht verraten, denn er hätte fragen können, wie das geschah. Ich sagte: „Nein.“ Er zeigte mir mein Schlafzimmer. Das war ein Sack Stroh im Kuhstall. Am frühen Morgen musste ich mit den 40 Kühen auf die Wiese. Die Frau des Bauern gab mir eine Kanne mit Milch. Die Milch bestand zu 94% aus Wasser. „Wenn du zurückkommst, bekommst noch mehr Milch“, sagte sie. Als ich auf der Wiese war, goss ich ihre Milch aus: ich hatte doch 40 Kühe!

 

Und so lebte ich da und arbeitete schwer für mein Alter. Der Winter kam mit 25 Grad Minus in Polen. Meine Kleidung war zerrissen. Ich kam zum Bauern und sagte: „Kannst du mir ein paar Pfennige geben, damit ich mir die Haare schneiden lasse?“ Er sagte auf Deutsch: „Du polnisches Schwein! Du frisst wie ein Pferd, dazu willst du noch Geld haben?“ Ich tat so, als hätte ich nicht verstanden. Er wollte gar nichts geben.

 

Und dann passierte Folgendes. In dieser Zeit kam ein Mann, ein Briefträger, schön angezogen. Er sagte: „Kannst du mir helfen?“ Ich fragte: „Wie? Siehst du mich nicht? 25 unter Null, Schuhe zerrissen, Kleidung zerrissen, Millionen von Läusen, und ich soll dir helfen?“ Er sagte: „Ja, wir werden einander helfen.“ „Und wie?“ „Du bringst mir für meine Kinder Lebensmittel: Eier, Bohnen, Butter und so weiter.“ Gut! So machten wir ein Geschäft. Ich stahl gern Eier, Butter, Käse, Fleisch, und er holte mir Bekleidung. Aber die Kleidung hat nur wenig geholfen, weil die Läuse mir keine Ruhe gaben. Zu der Zeit wurde den Polen verboten, ein Radio zu haben. Wenn sie erwischt wurden, wurden sie gleich erschossen. Doch sie wollten die Nachrichten hören, wo die Front war, wo die Russen waren. Einmal kam ich zum Essen. Ich aß nicht am Tisch mit dem Bauern, sondern in der Ecke. Wenn seine Familie mit dem Essen fertig war, schmissen sie mir die Reste zu wie einem Hund. Aber ich überlebte das Warschauer Getto, ich war ein mal schon eifersüchtig auf die Verstorbenen; deswegen war ich für alles, was mir gegeben wurde, sehr dankbar. Ich las die Zeitungen, die der Bauer auf dem Tisch liegen ließ. Ich kam zu den polnischen Bauern und erzählte ihnen alle Nachrichten. Und sie bezahlten mich dafür. Nicht mit Geld. Sie legten meine Kleidung in den Ofen und die Läuse verbrannten. Das war auch ein gutes Geschäft.

 

Eines Tages kam ich zum Bauern. Er bekam einen Brief. Da stand es: „Gefallen für das Deutsche Vaterland!“ Zwei seiner Söhne. Und er wurde verrückt. Er hatte einen Sohn in meinem Alter, der mich immer Krautkopf nannte, weil er dachte, ich könnte nach einem Jahr immer noch kein Wort Deutsch, obwohl ich es besser konnte als er. Er ging zur Schule und lernte ein Gedicht, das er vorlas. Nach dem dritten Mal konnte ich dieses Gedicht schon auswendig und kann es heute noch, er aber konnte es nach dem 30. Mal Vorlesen immer noch nicht. Und an dem Tag, als der Bauer diesen traurigen Brief bekam, versammelten wir uns zum Abendessen. Der Bauer wusste nicht, was er unternehmen sollte, er wollte sich rächen. Ich bin ein Pole, ich bin schuld, dass seine Söhne gefallen sind. Er sagte zu seiner Frau: „Alissa, was glaubst du, wenn ich dieses polnische Schwein heute Nacht töte?“ Sie antwortete: „Ja Ludwig, mach, was du willst.“ Dann sagte er zu mir auf Polnisch: „Wir haben morgen viel Arbeit, und du musst dich gut ausruhen.“ Ich sagte „Dankeschön.“ Ich war damals 13.

Als ich in mein Schlafzimmer im Kuhstall kam, nahm ich das geräucherte Fleisch, Käse, Sahne, was ich nur nehmen konnte, und lief fort. Ich kam zum Bahnhof, kletterte auf den Zug und fuhr nach Warschau zurück. In Warschau kam ich nach dem Aufstand des Warschauer Gettos an. Die überlebenden Juden wurden nicht ins Konzentrationslager geschickt, das war zu gut für sie; sie wurden nach Birkenau, Treblinka und Maidanek rübergebracht. Das waren die Vernichtungslager. Da stand geschrieben: „Öl. Tötet Unproduktives“. Was das bedeutet? Als ich noch beim Bauer war, wusch ich mich mit Seife, auf der stand „RJS“. Ich fragte den Bauern, was das heißt. Er sagte: „Reine Judenseife.“ 

 

Also war ich in Warschau. Fast keine Leute zu sehen. Ich wälzte mich durch die Straßen. Schließlich kam ich wieder zu einem polnischen Bauern. Ich wusste damals nicht, dass dies das Hauptquartier der Partisanen war. Ich wurde dort aufgenommen, arbeitete und aß an einem Tisch mit der Bauernfamilie zusammen. Ich fühlte mich dort wohl. Aber nicht lange Zeit. 

Nach zwei Wochen kam ein Mann und fragte mich: „Hast du die Deutschen gern?“ Ich dachte mir: „Was meint er damit? Vielleicht ist er einer von den Ukrainern, die mit den Deutschen zusammenarbeiten? Ein SS-Mann? Oder ein polnischer Partisan?“ 

Aber ich hatte keine Angst mehr. Ich erinnerte mich immer daran, was meine Mutter sagte: „Du musst

 

stark sein.“ Ich sagte: „Willst du, dass ich sie auch küsse?“ Er sagte zu mir: „Ich habe dich lieb!“ Seit Jahren hat mir keiner so ein Wort gesagt. Was würde ich für dieses Wort bezahlen müssen?

 

Er holte mir eine Schere: „Siehst du, nicht weit von hier ist das Gestapo Hauptquartier.

Wenn du dorthin kommst, schneidest du das Telefonkabel durch. Wenn sie dich erwischen, sollst du nie sagen, wer dich geschickt hat.“ Ich kam zum Gestapo-Quartier, kletterte auf das Dach und schnitt die Leitung durch. Als ich runter wollte, bemerkte ich einen von der Gestapo. Er hob seinen Kopf und rief: „Komm mal her du Partisane, ich mach dich kaputt!“ Ich wusste schon: von hier gibt es keinen Ausweg mehr. Que sera, sera. (was sein wird, wird sein). Er brachte mich ins Gestapo-Hauptquartier und meldete, dass ich ein Saboteur sei, dass ich die Leitung kaputt gemacht hatte. Der Offizier schaute mich an: „Sprichst du Deutsch?“ „Niks Deutsch“ „Gut!“ Er gab mir ein Stückchen Schokolade. Und ich wusste schon, dass ich sterben würde. Für mein Verbrechen würden sie mich totschlagen. Ich nahm die Schokolade und aß sie.

 

Man brachte mich zum Dolmetscher. Mein Deutsch war viel besser als seins. Er fragte mich, wer mich geschickt hatte und woher ich kam. Wenn ich ihnen das sagen würde, dann würden sie die Dörfer verbrennen und mich erschießen. Das habe ich sofort verstanden. Er sagte zu mir: „Wenn du uns das alles erzählst, werden wir dich freilassen, und du kannst nach Hause gehen.“ Ich sagte: „Weißt du, ich habe die Schere gefunden und einfach so aus sportlichem Interesse die Leitung durchgeschnitten. Ich weiß nicht warum.“ Sie fragten mich noch einmal, und ich gab dieselbe Antwort. „Wir werden mit dir eine andere Sprache sprechen.“ Sie holten einen Gummiknüppel und fingen an, mich zu schlagen. Mehrmals wurde ich bewusstlos. Sie gossen Wasser auf mich und setzten das Verhör fort. Ich wurde so geschlagen, dass das Fleisch durch die Haut zu sehen war. Ich habe die Schläge nicht mehr gespürt. Dann schlug einer vor, mich fertig zu machen. Doch der Offizier sagte: „Wir lassen ihn gehen, und werden ihm nachfolgen, wo er uns hinführt. Wir verbrennen das Haus und erschießen ihn.“ Ich wusste: nur noch ein paar Stunden und bin ich erledigt: das Blut fließt raus.

 

Der Dolmetscher sagte: „Der Herr Offizier ist ein sehr guter Mensch: nach Allem, was du gemacht hast, möchte er dich freilassen.“ Ich ging durch die Straße. Eine Frau sah mich, ganz voller Blut. Sie wunderte sich. Sie wollte mir helfen. Und so konnten die Deutschen sie erwischen: sie könnten denken, dass die Frau zu den Partisanen gehört. Und ich bin fortgelaufen. Ich weiß nicht, woher ich die Kraft bekam. Ich kam zu meinem Bauern und legte mich ins Bett. Die Partisanen sahen mich von weitem, und wie ich aussah. Keinem sagte ich ein Wort davon. Ich merkte, dass mein Körper anfing zu schwellen. Ich bekam Schmerzen, sehr schreckliche Schmerzen. Ich war mir sicher, es ging zum Ende. Sechs Stunden lang litt ich. Dann holten die Partisanen einen Arzt. Er wusch mir die Wunden ab, und weil keine Medizin zu haben war, behandelte er meine Wunden mit Jod. Mein Zustand verbesserte sich erst nach 3 Monaten. Als ich vom Bett aufstand, konnte ich mich kaum bewegen.

 

Und als die Russen kamen, brachte mich der Bauer zum Krankenhaus. Dort erholte ich mich und bekam gute Medizin. Nach einem Monat konnte ich wieder stehen. Ich versuchte, meine Verwandten zu finden, aber vergeblich. Eines Tages begegnete ich auf der Straße einem Mann. Er erzählte mir, dass es eine jüdische Gemeinde gab, die vom Roten Kreuz unterstützt wurde: Dort bekam man Unterkunft, Kleidung und Essen. Ich kam zu dieser Gemeinde und wurde dort aufgenommen. Nach einigen Wochen wurde uns eine Liste angeboten, in der Namen verschiedener Staaten standen. Wir konnten wählen, wohin wir gehen möchten, und wir konnten gleich die Staatsbürgerschaft bekommen. Zu dieser Zeit war es sehr schwierig in Israel. Die Juden wurden verboten, nach Israel auszuwandern, das Land war nur für die Araber frei.

 

An einem Abend kamen ich und noch 200 junge Leute zum Bahnhof, um nach Frankreich zu gehen. Wir wurden in eine kleine Hafenstadt bei Marseille gebracht. Als wir auf den nächsten Zug warteten, kam eine Delegation aus Israel zu uns - Engländer waren auch dabei. Sie luden uns nach Israel ein. In die israelische Armee. Sie versprachen uns alles Schöne. Und wir waren froh. Wir kamen mit dem Schiff nach Israel. 12 Tage waren wir unterwegs. Als wir nach Tel Aviv kamen, nahmen uns die Engländer fest und brachten uns in ein Lager auf Zypern. Das Essen, das sie uns gaben, war zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Sieben Monate lang machten wir das durch. Und dann kamen wir wieder nach Israel.

 

Wir waren eine halbe Million in Israel. Und acht arabische Länder überfielen uns. Ihr Motto war: „Schlagt die Juden tot und schmeißt sie ins Meer!“ Wir wurden in eine große Halle gebracht. Dann kam ein israelischer Offizier mit zwei Soldaten: „Aufstehen!“ Wir standen auf. „Willkommen in Israel! Ihr seid nun israelische Soldaten.“ Hokuspokus. Keine Fragen. Es wurden Abteilungen eingerichtet: eine war die Marinenabteilung. Marine, das waren Fischerboote. Eine andere Gruppe gehörte zur Luftwaffe. Die Luftwaffe bestand aus vielen Pipers (kleine, einmotorige Flugzeuge). Die dritte war die Artillerie. Aber die Artillerie konnte man nur im Wörterbuch finden. Es gab keine. Zu uns sagte der Offizier: „Ihr bekommt die beste Arbeit.“ Wir waren gespannt: was für eine „beste Arbeit“ das sein konnte? Im Büro sitzen und Hebräisch lernen? Coca-Cola verkaufen? „Ihr könnt bei dieser Arbeit nur einen Fehler machen!“ Also wir waren Minen-Entschärfer. 

 

Wir bekamen Uniform und Karabiner der Zeit Napoleons. Wir waren in Jerusalem und übten. Die Araber überfielen uns von allen Seiten. Es war eine sehr schwierige Situation. Wir imitierten ein Feier. Während die Araber unseres „Feier“ von einer Position beobachteten, übervielen wir sie von der anderen. So führten wir den Krieg. Solange die Araber uns überlegen waren, wurde kein Waffenstillstand angeordnet. Die Araber wollten auf keine UNO-Resolutionen hören. Doch als wir endlich einen Gegenangriff unternommen hatten, wurde sofort ein Waffenstillstand ausgerufen.

 

Während des Stillstandes bekamen wir etliche Stunden frei. Wir wurden nach Tel Aviv gebracht, und am späten Abend sollten wir in die Kaserne zurückkehren. Kaserne waren kleine, beleuchtete Zelte. In Tel Aviv waren keine Leute zu sehen, es war wie auf einem Friedhof. Alle waren mobilisiert. Alte Männer arbeiteten freiwillig, sie gruben Gräben. Und alte Frauen kochten für die Armee. Ich saß auf der Bank und fragte mich: warum bin ich hier? Da kam eine Frau auf mich zu und sagte: „Soldat! Was machst du hier?“ „Ich weiß es nicht.“ „Nimm die Bibel und lies.“ Ich wusste nichts von der Bibel, nur dass es ein dickes Buch ist. Ich wollte die Bibel nicht haben. Doch die Frau gab mir die Bibel und bat, sie zu öffnen. Ich öffnete. Es war Psalm 27. Ich las den Psalm. Bis

 

 

Vers 10. „Sogar mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen, aber der Herr nimmt mich auf.“ Ich fragte mich selbst: Warum hat Gott mich in den Krieg gestoßen? Ich litt unter Hunger, war zum Tode verurteilt, war sogar auf die Toten eifersüchtig. Und hier in Israel kamen viele Kameraden im Krieg ums Leben. Doch ich lebte. Wer hat mich bewahrt? Ich nahm die Bibel mit. Doch sie wurde in der Armee gestohlen.

 

Nach 2 Jahren war der Krieg zu Ende, und wir durften nach Hause. Das war für mich eine sehr schwierige Zeit: Wohin sollte ich gehen? Ich wollte nach Frankreich. Ich kam mit meinem Militärbuch in ein Büro: „Ich möchte arbeiten. Ich habe den Militärdienst beendet.“ Mir wurde geantwortet: „Es kommen Leute aus Jemen, die 2-3 Frauen haben. Was denkst du, wem geben wir zuerst Arbeit, dir oder ihnen? Vielleicht kommst du im nächsten Monat wieder.“ „Ich kann das doch nicht meinem Magen sagen.“ „Es gibt nichts zu tun“, war die Antwort. Das war eine schwierige Situation in 1950.

 

Ich kam raus, habe mich umgeschaut: schöne Restaurants, schöne Leute sitzen darin, lachen. Ich dachte mir: „Bin ich wohl schlechter als sie?“ Ich ging ins beste Restaurant, bestellte bestes Essen. Dann kam der Kellner mit der Rechnung. Ich guckte rein und bestellte noch den besten Wein. Ich aß und trank, der Wein machte mich zufrieden. Dann bekam ich eine „bessere“ Rechnung. Ich sagte zum Kellner: „Reiche diese Rechnung an das Verteidigungsministerium ein. Ich habe keinen Pfennig.“ Der Kellner rief die Polizei. Zwei Polizisten kamen und nahmen mich fest. Das Gefängnis war für mich fast wie ein Sterne-Hotel. Ich verbrachte da eine Woche. Dann musste ich vors Gericht. Der Richter fragte: „Du gingst ins beste Restaurant, was hast du da gemacht?“ „Gegessen“ „Du hattest doch kein Geld! Was kannst du dazu sagen?“ Ich antwortete: „Wenn man runterfallen muss, dann vom guten Pferd.“ Ich bekam zwei Wochen Gefängnis.

 

Danach versuchte ich eine Arbeit zu kriegen, konnte aber nichts finden. Ich lieh mir von meinem Kameraden gute Kleidung aus und ging zu einem 5-Sterne-Hotel. Dort ließ ich mich registrieren. Ich hatte ein schönes Zimmer, bekam gutes Essen, Eiskrem, Kuchen! Alles wurde auf mein Zimmer geschrieben. Zwei Wochen lang hatte ich solch ein wunderschönes Leben. Dann sollten in dieses Hotel Touristen kommen. Zu mir kam die Direktorin und fragte: „Mister Zvi, wie finden Sie dieses Hotel? Das Zimmer, das Essen?“ „Sehr schön.“ „Wie lange möchten Sie noch hier bleiben?“ „Den ganzen Winter.“ „Gut, aber Sie müssen für die zwei Wochen, die Sie schon hier sind, und die nächsten zwei Wochen bezahlen.“ „Ich habe kein Geld, um ein Glas Wasser zu bezahlen, und Sie wollen, dass ich für vier Wochen bezahle.“ Sie rief die Polizei. Zwei Polizisten kamen. Der eine schaute mich an und fragte: „Bist du der vom Restaurant?“ „Ja.“ Sie nahmen mich fest.

 

Meine „Kameraden“ im Gefängnis freuten sich. Und ich war ja auch zufrieden. Nach einer Woche kam ich vor das Gericht. „Schämst du dich nicht?!“ „Wieso soll ich mich schämen? Ich habe gekämpft und wurde auch verletzt. Jetzt habe ich keine Unterkunft, keinen Platz zum Schlafen, kein Essen! Und du hast bestimmt eine schöne Wohnung, ein Auto! Du sollst dich schämen und nicht ich!“ Er wurde nervös: „Ein Monat Gefängnis!“ Ich sagte: „Jetzt hast du dich verbessert.“

Nach einem Monat ging ich wieder zum Arbeitsamt, habe aber kein Arbeitsangebot bekommen. Dann ging ich in ein Restaurant! Und die Geschichte wiederholte sich. Zwei Polizisten kamen und führten mich direkt zum Gericht. „Wie lange werde ich dich hier sehen?“ rief der Richter aus. „Bis ich eine Arbeit und eine Unterkunft bekomme“. Er sagte: „Ich sehe keinen Ausweg.“ Und er schrieb einen Brief, mit dem ich zur Polizei ging. Und sie gaben mir eine Beschäftigung in einem Übergangslager für Neueinwanderer. Das waren Baracken, Toiletten waren draußen. Ich war in einer Baracke zusammen mit zwei Kerlen aus der Armee. Ich arbeitete als Bautischler und putzte die Baracken. Und meine beiden Kameraden kochten. Einmal kamen sie zu mir und sagten: „Du wirst auch kochen.“ Ich kam am Freitag, sah 3 Kilo Reis, legte ihn in einen Topf, 5 Kilo Bohnen auch dazu, eine große Flasche Öl. Ich stellte das alles auf den Primus (Kocher). An dem Tag gab es im Kino ein tolles Angebot: man konnte sich 3 Filme mit einer Eintrittskarte ansehen. Ich sagte zu mir: „Wenn ich aus dem Kino komme, wird das Essen fertig sein.“ Als ich zurückkam, war die Baracke abgebrannt.

 

Ich ging ins Büro und sagte, dass die Baracke abgebrannt war. Dort sagte man mir: „Das kommt vor.“ Dann fragten sie: „Woher kommst du?“ „Aus Polen“ „Oh! Du bist ein glücklicher Mann!“ Ich sagte: „Ja, sehr glücklich!“ „Weißt du, normalerweise leben drei Personen in einer Baracke. Aber weil du aus Polen bist! Wir haben da einen alten Mann, er ist 80 und kommt aus Polen, aus Auschwitz. Er ist krank. Du wirst ihm helfen und ihr werdet zu zweit leben. Ich ging in diese Baracke. Da war der alte Mann mit der Nummer aus Auschwitz. Was mich fertigmachte war, dass er sein Abendbrot hinter der Matratze versteckte. Er lebte immer noch wie im Konzentrationslager. An einem Freitagabend kam ich von der Arbeit und sagte zu mir: „Morgen ist Shabbat, ich werde mich ausruhen.“ Da ich Durst hatte, nahm ich eine Tasse mit Wasser, das Wasser schüttete ich raus und trank frisches Wasser daraus. Um 6 Uhr am frühen Morgen weckte mich mein Nachbar: „Ich rufe die Polizei!“ Ich sagte: „Weißt du, die ganze Polizei in Jerusalem kennt mich schon. Du kannst mich nicht mit der Polizei abschrecken. Doch was habe ich getan?“ „Du hast meine Zähne gestohlen!“ Ich wusste nicht, dass er seine Zähne in die Tasse hineingelegt hatte. Er rief die Polizei. Die Polizisten erkannten mich, und nachdem ich alles erzählt hatte, brachten sie mich in eine andere Baracke.

 

In dieser Baracke waren viele junge Leute. Einmal pro Woche kam ein Mann dorthin, der die Bibel auf Hebräisch lehrte. So dauerte es ein halbes Jahr, bis ich endlich verstehen konnte, was die Bibel ist. Einmal kam ich zur Gebetsversammlung in Jerusalem. Die Gruppe dort betete: „Be Schem Jeschua ha Maschiach“. Das wunderte mich: wieso kann ein Jude so beten? Ich fragte den Pastor. Er antwortete: „Je öfter du kommen wirst, desto mehr wirst du verstehen.“ Ich kam regelmäßig und fand den Herrn. Mein Leben war nicht mehr von heute auf morgen! Ich fing an zu arbeiten, mietete ein kleines Zimmer 2,5 x 2,5 Meter groß. Nach einiger Zeit heiratete ich. Gott segnete uns mit drei Söhnen und einer Tochter. Jetzt haben wir auch 15 Enkelkinder. Alle unsere Kinder erzogen wir im Glauben an den Herrn. Und wie es im Psalm 126 steht: „Die mit Tränen säen, werden mit Jubel ernten.“ Wir fingen an, mit 7-8 Leuten eine Gemeinde zu bauen. Jetzt besuchen 300 Menschen die Gemeinde. Es ist eine „Babel-Gemeinde“, denn hier werden viele Sprachen gesprochen: Chinesisch, Polnisch, Russisch, Arabisch, Koreanisch. Wie es in Korinther 12 steht, viele Glieder und ein Geist. Der Pastor ist mein Sohn. Und unsere Enkelkinder spielen Musik in der Gemeinde. Die anderen Söhne sind auch gläubig geworden. Das ist meine Freude, wenn ich in die Gemeinde komme und das alles sehe.

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